Ohne Spiegel leben
Sichtbarkeiten und posthumane Menschenbilder Manfred Faßer (Hrsg.)
Audiovisuelle Räume umspannen den Globus, analoge Bilder vom Mond, digitale Bilder vom Mars, Thermoaufnahmen von fernen Galaxien werden frei Haus geliefert, Raumsonden erforschen die Tiefen des Weltalls, Körpersonden zeigen die Lebensprozesse in situ. Bilder gehen unter die Haut, ebenso das Wissen. Posthumane Bilder vom Menschen haben die Oberflächen der Physiognomien verlassen, physikalische Reflektion und geistige Reflexion treffen sich, wie es scheint, im Unbeobachtbaren der mikrologischen Prozesse. Körperliches und Gegenständliches zu sehen, sich reflexiv auf es zu beziehen, wird zu einer Technik des Denkens. Sehen, Bilder, Reflexion: alles nur eine Technik des Sichtbarmachens?
Die Monitorisierung der Mikro- und Makro-Welt verändert die organische Zusammensetzung menschlicher Wahrnehmung. Bilder vom Menschen, mumifizierte Oberflächen der Phänomene, stehen in unübersehbarer Konkurrenz zu Bildern ohne sinnlich je erkennbaren Hintergrund. Dennoch bleibt der sinnlich-geistige Doppelbezug zur Welt. Ein Bildermultiversum spannt sich zwischen Codes und Physiologie, zwischen Schaltungszuständen und Plottern auf. Weiß der Mensch noch, wie er aussieht, wies um ihn aussieht? Wie läßt sich dies darstellen in Kunst, Wissenschaft, Medien? Wie ist diese sichtbare Unsichtbarkeit erinnerbar, wie tradierbar?
Wilhelm Fink Verlag, Taschenbuch, 346 Seiten