Unter Argusaugen • Zu einer Ästhetik des Unsichtbaren
Gerd Held • Carola Hilmes • Dietrich Mathy (Hrsg.)
Nach Hegels schöner Einsicht haben die Werke der Kunst Argusnatur, denn an ihnen ist buchstäblich keine Stelle, die nicht uns anschaut, die uns nicht längst immer schon zugewandt war, ehe wir sie bemerken.
Der Sammelband thematisiert das Problem der Sichtbarkeits- und Wahrnehmungsgrenzen. Mit besonderer Rücksicht auf eine wohlabgestimmte Schwerpunktbildung wird untersucht, inwieweit die Sinnlichkeitsbedingungen ästhetisch-künstlerischer Wahrnehmung gerade im Jenseits der Sinnesgrenzen fundiert sind. Es liegt auf der Hand, daß dieser Zusammenhang für philosophische Fragestellungen (Ästhetik, Erkenntnistheorie und Theologie) wie auch für kunsttheoretische Untersuchungsfelder (Literaturwissenschaft, Theorie der Bildenden Künste und Musik, Design) von äußerster Brisanz ist. Zur Absicherung einer angemessen umfassenden Kontextbildung sind darüber hinaus Psychoanalyse und Zen sowie die naturwissenschaftliche Perspektive auf das Problem berücksichtigt. Der Band ist so angelegt, daß er die aktuelle Diskussion neu akzentuiert.
Den Herausgebern scheint, daß die vielfältigen und hochkomplexen hier nur anzudeutenden Zusammenhänge im Rahmen post-struktualistischer und dekonstruktivistischer Forschungsrichtungen (Dezentrierung und Dislozierung des Subjekts) entschieden zu kurz gekommen sind. Eine neuerliche Besinnung auf Kant, d.h. auf die Reichweite transzendentaler Fragestellungen, und die Einbeziehung unterschiedlicher Arbeitsfelder der modernen Phänomenologie (Fundamentalontologie, Existentialismus, Kritische Theorie und Leibphilosophie) sollen hier die notwendige Korrektur vornehmen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I. Philosophische Erkenntnis
G. Held: Die Erscheinung einer Erscheinung. Zur Ästhetik des indirekten Gegenstands bei Kant und Duchamp
J.E. Dotti: Borges, mündlich. Gespräch über Engel, den Orient und die Metaphysik des Nordens
V. Mathieu: Theorie und Transparenz. Eidetische Reflexion bei Plotin
X. Tilliette: Das Unsichtbare in der Romantik. Gedanken anläßlich einer erneuten Lektüre von Schellings Clara
II. Literarische Erkenntnis
H.W. Henze: Gedankenaustausch zwischen Kompositionskunst und Dichtung
G. Held: Der Einhornschinder. Vision und Emanation, die Krise der Bilder
Ph. Rippel: "O Krake mit dem seidenen Blick". Zur Ästhetik von Lautréamonts Gesängen des Maldoror
C. Hilmes: Sich zeigen und verbergen: Das Ich als Grenze. Virginia Woolfs Reflexionen über Leben und Schreiben
J. Villwock: Rückblick in die Zukunft. Zum Verschwinden von Historie in Ernst Jüngers Eumeswil
III. Wissenschaftliche Erkenntnis
R. Boenicke: Arbeit am Nicht-Wahrnehmbaren. Der negative Bildungsweg des Zen und die Psychoanalyse
H.-P. Niebuhr: Phantom Design
J. Steppeler: Das Imaginäre in der Mathematik
A. Hafer: Das Infinitesimalkalkül Leibniz'
K. Becker: Zur Fiktion des Urmeters
K. Mainzer: Quanten, Dämonen und Cyberspace. Von fiktiven und virtuellen Realitäten in Naturwissenschaft und Technik
J. Splett: Bild des Unsichtbaren. Reflexionen christlicher Ikonologie im Anschluß an Hans Urs von Balthasar
IV. Ästhetische Erkenntnis
Werkstattgespräch mit Mathias Will, Darmstadt
J. Blasius: Ästhetische Produktivität als Intentionalität: Die unsichtbare Praxis der Kunst
E. Escoubas: Das Sichtbare und das Unsichtbare: Die Malerei zwischen Schatten und Farben
E. Cotti: Kein Körper lügt. Von der Erfahrung zum ästhetischen Ereignis
D. Mathy: Unverborgen vorenthalten. Zur Wahrnehmung des Nichtwahrnehmbaren als Index ästhetischer Wahrnehmung
Königshausen & Neumann, Paperback, 304 Seiten