Versunkenes 20. Jahrhundert
Musik und Musikwissenschaft jenseits des Mainstreams
Werner Keil, Philipp Heitmann, Andreas Fukerider (Autoren)
Das 20. Jahrhundert zeigt eine unerhörte Fülle und Diversität an Diskursen, die das Musikdenken irreversibel prägen: Naturwissenschaftsboom, Revision der Weltbilder, Szientismus, Technik und Computer setzen Maßstäbe und liefern neue Referenzfelder. Die Musik gerät unter wachsenden Abstraktions- und Legitimationsdruck, dem sie durch Allianzen mit Zahlenwelten, Natur- und Superwissenschaften oder synkretistische Transsysteme begegnet. Diese Entwicklungen werden anhand zweier Hauptwerke der Avantgardisten György Ligeti und Conlon Nancarrow von je komplexer Zahlenbasierung und frappierender Logik reflektiert. Auch der Musiktheorie bieten sich umstrittene Allianzen: die mengentheoretisch basierte Pitch Class Set Theory Allen Fortes, deren kritische Wissenschaftsrezeption hier näher erforscht wird. Als parawissenschaftlicher Kontrapunkt steht zu Beginn Cyril Scott, erfolgreicher Komponist, Pianist und Theosoph, dessen hermetischer Symbolismus die Diskontinuitäten des 20. Jahrhunderts unterläuft und ein Bild evoziert, wonach das Antimoderne Teil der Moderne ist. Kontroversität und Distanz zum Mainstream sind allen gemeinsam: Von hier öffnet sich der Blick auf versunkene ästhetische Pfade.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Zwischen Symbolismus und Theosophie: Klaviermusik von Cyril Scott
Poppies
Stefan George
The garden of soul-sympathy
Bells
The twilight of the year und Paradise-Birds
Die dritte Klaviersonate (1956)
Theosophie
X-Formationen und b-a-c-h-Strukturen in Nancarrows Canon X
Mehrwert der Synthesizer-Darstellung fu¨r den Analytiker
Zur Kanonstruktur und gesamtformalen Prozessualita¨t
Theorie der b-a-c-h-Strukturen in Canon X
Strukturelle U¨berlegungen zum Kanonthema und seinem mutmaßlichen b-a-c-h Gipfelmotiv
X-Strukturen auf unterschiedlichen analytischen Betrachtungsebenen
Das Transpositionsschema als Zwölftonreihe von Webern'schem Profil
Parallelisierung der b-a-c-h-Basierungen Nancarrows und Webems
Die b-a-c-h Zentralmarke am finalen Tempohöhepunkt der Coda
Der Geschwmdigkeitstreffpunkt und seine h-c-a-b Markierung
'Formel X'. Geschwindigkeitsformeln für das logarithmische Zeitraster der Kanoneinheiten sowie der Einzeltonfolgen
Eindeutige Lokalisation und letzte Plausibilisierung des markanten b-a-c-h Zentralzitats an der Coda mittels der mathematisch ermittelten Formeln und Basisgrößen
Schlussbetrachtung zum Synkretismus-Ansatz von Mathematik und Musik
Fibonacci-Reihe und fraktale Geometrie in Ligetis Désordre
Teleologisch-prozessualer Gesamtplan des Stückes
Problemverhältnis 'Ordnung versus Chaos'
Logische Gliederung der Form und des musikalischen Materials
Strukturelle Visualisierungsversuche
Die beiden prozessualen Höhepunkte und ihre Affinität zur Fibonacci-Reihe
Die Fibonacci-Reihe als legitimierende Schnittmenge der Welten von Musik und fraktaler Geometrie
Die Tritonus-Achse a-dis am Schluss von Désordre als Bezugnahme auf Webern und Bartók?
Désordre als Serialismus-Kritik
Die Oppositionsstruktur 'Ordnung versus Chaos' als ironisch-dekonstruktivistische Attitüde
Ligetis erklärtes Geheimnis in Désordre
Kinzlers multiple Dekonstruktion als fingierter Monolog Ligetis
Zur Kritik der Pitch Class Set Theory
Einleitung
Die PCST in der Kritik
Vorbemerkung : 'Phänomenologische Jungfräulichkeit'
Eine Musiktheorie der Gleichmacherei
Konzentration auf Tonhöhenordnungen
Willkürlichkeit der Segmentation
Fehlende Kontextualisierungen
Fehlende Hörbarkeit
Fazit
Anhang: Grundlagen der Pitch-Class-Set-Theorie
Zitierte Literatur
Personenregister
Diskordanzen - Studien zur neueren Musikgeschichte - Band 17
Georg Olms Verlag, Paperback, 253 Seiten